
Baldur galt als der schönste aller Götter, strahlend wie die Sonne und hell wie das reinste Licht. Sein Antlitz erleuchtete die Hallen Asgards, und sein Wesen zog alle Lebewesen an. Er war ein Sinnbild der Vollkommenheit, der Unschuld und der Güte, und niemand konnte seinem Anblick widerstehen.
Er ist ein Sohn von Odin, dem Allvater, und Frigg, der Göttin der Ehe und Mutterschaft. Ihm wurde nachgesagt, wo immer der Gott auftauchte, brachte er Glück und Segen. Unter anderem deshalb war er von Göttern und Menschen gleichermaßen geliebt, und seine bloße Gegenwart reichte aus, um Freude und Frieden zu bringen.
Sein Leben in Asgard
Baldur wohnt in Breidablik, der prächtigsten Halle Asgards. Weit über alle anderen Hallen erhob sie sich, glänzend und makellos, und kein unreines Wesen durfte ihre Schwelle überschreiten. So rein war dieser Ort, dass weder Lüge noch Bosheit sich darin verbergen konnten. Wo Breidablik stand, dort lag kein Schatten, und selbst der Wind trug nur helles Licht durch ihre Türen.
Kein Laut des Streits, kein Flüstern der Zwietracht konnte in ihre Hallen dringen. Alles, was dort verweilte, stand unter dem seinem Glanz, und sein Wesen selbst schien diesen Ort zu durchdringen. So wurde Breidablik zum Sinnbild reiner Harmonie, und wer seine Hallen betrat, den umfing Stille, Frieden und das Licht seines Herrn.
Aber sein Palast ist nicht alles. Baldur besitzt laut den Überlieferungen auch ein Schiff, Ringhorn genannt. Es heißt, es sei das größte Schiff aller Schiffe. Nach dem Tode Baldurs wurde er auf sein Schiff gelegt. Ringhorn war so groß und schwer, dass es kein Gott alleine ins Meer stoßen konnte.
So gehen hier die Erzählungen etwas auseinander. Die einen sprechen davon, dass Ringhorn angezündet wurde und die Götter es dann ins Meer gleiten ließen. Anders heißt es, aufgrund des Gewichtes wurde das Schiff von der Riesin Hyrrokkin mit einem Stoß ins Wasser geschoben, denn nur sie hatte die Kraft, es zu bewegen. So soll so viel Reibung auf den Rollen entstanden sein, dass das Feuer erst entstehen konnte.
Baldur als Gott der Reinheit, des Lichts und der Schönheit
So wie sein Palast war, so war auch er. Er verkehrte oft mit den anderen Göttern und suchte, die Harmonie zu wahren. Die Reinheit, die ihn durchdrang, machte ihn unerschütterlich gegenüber Neid, Missgunst oder bösen Absichten. Selbst im größten Streit und Zwist oder in hitzigen Auseinandersetzungen zwischen den Göttern blieb er unbestechlich und brachte Frieden, als wäre sein Dasein selbst das Gleichgewicht der göttlichen Ordnung.
Baldur war weit mehr als nur ein schönes Antlitz in der Götterwelt. Sein Wesen strahlte Reinheit und Anmut aus, und jedes Wesen, ob Gott oder Mensch, spürte die Wärme seiner Gegenwart. Er verkörperte die Tugenden von Licht, Gerechtigkeit und Weisheit auf eine Weise, die tief berührte und Orientierung schenkte. Wer in Not oder Zweifel geriet, suchte Baldur auf, denn sein Blick spendete Trost, und seine Stimme vermittelte Sicherheit und Frieden.
Sein Licht war nicht nur äußerlich sichtbar, sondern durchdrang alles, was er tat, und ließ selbst die finstersten Herzen einen Moment der Klarheit und Hoffnung erfahren.
Seine Frau Nanna und sein Sohn Forseti
Baldur liebte Nanna, die Tochter des Nepr. Sie war bekannt für ihre Sanftheit und Klugheit, und ihre Gestalt wurde oft mit den ersten stillen Blüten des Frühlings verglichen, die zwischen Schnee und Frost hervorsprießen. Nanna stand ihm in gleicher Reinheit und Lauterkeit zur Seite, und ihr Bund galt als einer der wenigen in Asgard, der nie von Zwietracht oder Untreue überschattet wurde.
Gemeinsam hatten sie einen Sohn, Forseti genannt. Er wurde zum Gott der Gerechtigkeit und Versöhnung und saß später in Glitnir, einer Halle mit silbernen Säulen und einem goldenen Dach, wo er Streit schlichten und Frieden stiften konnte. Forseti erbte von seinem Vater den Sinn für Harmonie und Ausgleich, und von seiner Mutter die ruhige Milde, mit der er selbst die verbittertsten Gegner zu Eintracht bewegen konnte.
Doch in den Liedern und Sagen tritt diese Seite Baldurs selten hervor. Meist wird er mit seinem strahlenden Wesen oder seinem tragischen Tod verbunden. Dass er auch als Gatte und Vater galt, bleibt oft nur eine leise Randbemerkung, beinahe übertönt von dem großen Schicksal, das ihm bevorstand.
Baldurs Tod – die Tragödie von Asgard
Der Tod Baldurs war das schwerste Unglück der Asen. Die Götter waren von unermesslichem Kummer ergriffen, und Asgard selbst schien in Trauer getaucht. Kein Verlust war so schmerzlich wie der Verlust Baldurs; sein Tod erschütterte die Welt bis in ihre Grundfesten. Die Götter, die ihn liebten, trauerten um einen Sohn, Bruder und Freund, dessen Licht nun zu erlöschen drohte.
Baldur hatte zuvor wiederholt Träume, die seinen Tod vorhersagten. Diese Träume erfüllten die Götter mit Angst, und sie versuchten, ihn vor jeglicher Gefahr zu schützen. Dennoch blieb das Schicksal unaufhaltsam, denn selbst die Reinheit Baldurs konnte das Gesetz der Vorsehung nicht umgehen. Die Träume zeigten ein Schicksal, das unausweichlich war und die Götter in tiefe Besorgnis stürzte.
Frigg, Baldurs Mutter, hatte von allen Wesen, Pflanzen und Dingen einen Eid erbeten, Baldur niemals zu schaden. Die Mistel jedoch wurde übersehen, als klein und unbedeutend betrachtet. Loki erkannte diese Schwäche und schmiedete daraus einen Plan: Er fertigte einen Pfeil aus der Mistel, das einzige Material, das Baldur verletzen konnte. Mit List und Arglist bereitete Loki so den Untergang Baldurs vor.
Höðr, Baldurs blinder Bruder, wurde von Loki geführt, den Pfeil aus Mistelholz zu schleudern. Höðr handelte unwissentlich und ohne eigenes Böse, doch seine Hand traf Baldur tödlich. So wurde der reinste der Asen durch die Unschuld seines eigenen Bruders getroffen, und die Tragödie nahm ihren Lauf. Dieses Ereignis machte Höðr selbst zu einer tragischen Figur in der Geschichte Asgards.
Hermóðr, ein weiterer Sohn Odins, nahm auf seinem Ross Sleipnir den gefährlichen Weg in die Unterwelt auf sich, um Baldur zurückzuholen. Er ritt neun Nächte hindurch durch finstere Schluchten, über tiefe Täler und finstere Wasser. Am Ende erreichte er Hel, die Herrscherin der Unterwelt, und bat sie um Baldurs Freilassung. Hermóðrs Mut und Entschlossenheit wurden so Teil einer der bedeutendsten Legenden der nordischen Mythen.
Hel erklärte, Baldur dürfe zurückkehren, wenn alles Lebendige um ihn weine. Die Welt tat dies, doch ein einziges Wesen, die Riesin Thökk, verweigerte die Tränen. Viele Quellen berichten, dass dies Loki in Verkleidung war. So blieb Baldur in der Unterwelt gefangen, und die Götter mussten den Verlust hinnehmen, obwohl fast alles versucht worden war, ihn zu retten.
Baldur und Ragnarök – die Wiederkehr nach dem Untergang
Die Prophezeiungen sagen, dass Baldur nach Ragnarök zurückkehren werde. Nach dem Untergang der alten Welt wird er aus Hel emporsteigen, rein und unversehrt, als Sinnbild für Erneuerung, Licht und den Neubeginn. Baldur wird die neue Welt bevölkern und die Asen in einer Zeit des Friedens und der Harmonie vertreten.