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Onmyōdō – Japans geheimnisvolle Magie zwischen Wissenschaft und Mystik

Onmyōdō

Heute möchte ich euch mal wieder etwas mehr über eine Magieart anderer Kulturen geben. Diese führt uns heute nach Japan, genauer gesagt zu der Magie Onmyōdō.

Es gibt diese eine Szene in der japanischen Geschichte, die mich jedes Mal von Neuem in ihren Bann zieht. Stell dir vor, du stehst im Kyoto des 10. Jahrhunderts. Die Luft ist erfüllt vom Duft von Räucherwerk, und im Hintergrund rauschen die Blätter der Kirschbäume. Im Kaiserpalast arbeitet ein Mann, der die Grenzen zwischen Magie und Wissenschaft verwischt. Sein Name ist Abe no Seimei, und seine Kunst heißt Onmyōdō: der Weg des Yin und Yang.

Was ist Onmyōdō?

Onmyōdō ist mehr als nur Magie. Es ist eine Philosophie, eine Wissenschaft, eine Art, die Welt zu begreifen. Der Name bedeutet „Weg des Yin und Yang“, und genau darum dreht sich alles: um das Gleichgewicht. Die Onmyōji, die Meister dieser Lehre, sahen das Universum als ein Geflecht aus unsichtbaren Kräften. Sie studierten die Sterne, deuteten Träume und beschworen Geister, um Harmonie herzustellen.

Ihre Arbeit war nicht einfach nur Aberglaube. Onmyōji waren Berater der Kaiser, Astrologen und Heiler in einem. Sie berechneten günstige Tage für wichtige Entscheidungen, vertrieben böse Dämonen und schützten das Reich vor Unglück. Onmyōdō war eine Kunst, die Wissenschaft und Spiritualität vereinte, lange bevor die moderne Welt diese beiden Bereiche trennte.

Abe no Seimei:  der Magier, der die Zeit überdauerte

Wenn es eine Figur gibt, die Onmyōdō unsterblich gemacht hat, dann ist es Abe no Seimei. Geboren im Jahr 921, wurde er zur Legende. Die Geschichten über ihn sind so faszinierend, dass sie sich wie ein roter Faden durch die japanische Kultur ziehen. Man sagt, er konnte mit Geistern sprechen, die Zukunft vorhersagen und sogar die Elemente beherrschen.

Doch was mich am meisten beeindruckt, ist seine Doppelnatur. Er war nicht nur ein Magier, sondern auch ein gelehrter Mann. Er studierte die Sterne, entwickelte Kalender und half dem Kaiser, weise Entscheidungen zu treffen. In einer Zeit, in der viele Magie und Logik als Gegensätze sahen, war er beides zugleich.

Sein Erbe lebt weiter. In Kyoto steht der Seimei-Schrein, wo Menschen noch heute um Glück und Schutz bitten.

Die Magie der Symbole

Onmyōdō ist voller Symbole, die bis heute eine geheimnisvolle Faszination ausüben.

Ofuda

Da sind die Ofuda, kleine Papier-Talismane, die mit magischen Schriftzeichen beschriftet sind. Man hängt sie an Türen oder trägt sie bei sich, um böse Geister abzuwehren. Sie wirken wie japanische Glücksbringer, doch ihre Geschichte reicht tief in die Vergangenheit.

Viele Schreine bieten „Limited-Edition-Ofuda“ für Touristen an, wie zum Beispiel im Pokémon-Center Kyoto mit Pokémon-Motiven. In Ghibli-Museen gibt es Ofuda, die an Filme wie „Chihiro“ erinnern. Manche junge Japaner sehen Ofuda als Aberglauben, während ältere Generationen sie ernst nehmen. In konservativen Schreinen wie dem Ise-Schrein allerdings wird, zu Recht, kritisiert, dass Ofuda heute zu kommerziell geworden sind.

Touristen kaufen manchmal Ofuda als Souvenir, ohne ihre Bedeutung zu kennen, und werfen sie später weg, was als respektlos gilt. Ofuda sind ebenfalls kein Ersatz für medizinische Hilfe, aber viele Japaner nutzen sie als psychologische Stütze, ähnlich wie Glücksbringer in Europa.

Ob als ernst gemeinter Segen, kreatives Accessoire oder Anime-Merch: Ofuda zeigen, wie lebendig Japans magische Traditionen noch sind. Und vielleicht ist genau das ihr größter Zauber: dass sie sich anpassen, ohne ihre Essenz zu verlieren.

Shikigami

Stell dir vor, du hättest Wesen an deiner Seite, die deine Befehle ausführen, Botschaften überbringen oder sogar Schutzrituale unterstützen. Keine Fantasie, keine Metapher, sondern eine lebendige Praxis der Magie. Für die Onmyōji waren Shikigami keine bloße Legende, sondern reale Werkzeuge der unsichtbaren Welt, die durch Rituale, Schriftzeichen und Willenskraft gerufen und gelenkt wurden. Wer heute mit Geistern oder spirituellen Kräften arbeitet, wird hier vielleicht Parallelen erkennen: Shikigami sind ein Beweis dafür, dass Magie nicht nur Glaube ist, sondern handfestes Handwerk.

Ein kleiner Exkurs: Shinigami vs. die Geister des Onmyōdō – was ist der Unterschied?

Wer sich für japanische Magie und Folklore interessiert, stolpert schnell über den Begriff Shinigami. Dank Anime wie „Death Note“ oder „Bleach“ sind diese mysteriösen „Todesgötter“ weltweit bekannt. Doch hier kommt die Verwirrung: Shinigami gehören nicht zum klassischen Onmyōdō. Warum?

Shinigami, wörtlich „Todesgötter“, sind Wesen, die den Tod verkörpern oder Seelen ins Jenseits begleiten. Sie stammen aus späteren Volkslegenden und literarischen Traditionen, vor allem der Edo-Zeit, und wurden in der modernen Popkultur dramatisch ausgeschmückt. In Onmyōdō geht es stattdessen um Kami, Yokai und Shikigami:

  • Kami sind Naturgeister, die in Bäumen, Flüssen oder Bergen wohnen und aus dem Shinto-Glauben stammen.
  • Yokai sind vielgestaltige Dämonen oder Fabelwesen, die mal freundlich, mal gefährlich sein können – wie die berühmten Tengu oder Kitsune.
  • Shikigami sind beschworene Dienergeister, die einem Onmyōji bei Ritualen oder Botengängen helfen.

Während Shinigami also eher moderne, todesspezifische Figuren sind, arbeiten Onmyōji mit Wesen, die Harmonie, Natur und praktische Magie verkörpern. Die Verwechslung entsteht oft, weil Anime und Manga verschiedene mythologische Elemente kreativ vermischen. Doch wer sich für das historische Onmyōdō interessiert, sollte den Fokus auf Kami, Yokai und Shikigami legen und Shinigami als das sehen, was sie sind: faszinierende, aber eigenständige Figuren der japanischen Folklore.

Und natürlich das Yin-Yang-Symbol

Es steht für das Gleichgewicht aller Dinge, Licht und Schatten, Aktivität und Ruhe, männlich und weiblich. Onmyōdō lehrt uns, dass wahre Magie nicht darin besteht, eine Seite zu bevorzugen, sondern beide in Einklang zu bringen.

Onmyōdō heute: zwischen Tradition und Moderne

Man könnte meinen, eine so alte Tradition wie Onmyōdō wäre längst vergessen. Doch das Gegenteil ist der Fall. In Japan gibt es noch immer Menschen, die sich mit dieser Magie beschäftigen. Der Seimei-Schrein in Kyoto ist ein lebendiger Ort, an dem Besucher nicht nur die Geschichte spüren, sondern auch um Segen bitten.

Und dann ist da die Popkultur. Onmyōdō erlebt ein Comeback, vor allem durch Anime und Manga. Serien wie „Onmyōji“ oder „Nura“ bringen die Magie der Onmyōji einer neuen Generation näher. Selbst in Spielen wie „Yo-kai Watch“ findet man Anklänge an diese uralten Lehren.

Es ist erstaunlich, wie etwas, das vor über tausend Jahren entstand, heute noch so lebendig ist. Vielleicht liegt es daran, dass Onmyōdō eine zeitlose Botschaft trägt: dass die Welt im Gleichgewicht ist und wir alle ein Teil davon sind.

Warum mich Onmyōdō so berührt

Onmyōdō fasziniert mich so, weil es zeigt, dass Magie nicht einfach nur Zauberei ist. Es ist eine tiefgründige Philosophie, die uns lehrt, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Es geht um Respekt vor der Natur, um das Verständnis der unsichtbaren Kräfte und darum, unser Leben im Einklang mit dem Universum zu gestalten.

In einer Zeit, in der alles so schnell und unruhig ist, erinnert uns Onmyōdō daran, dass es auch anders gehen kann. Dass wir nicht gegen die Natur oder die Geister kämpfen müssen, sondern lernen können, mit ihnen zu leben.

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