
Es ist kein Geheimnis ich räucher für mein Leben gern. Alleine das zusammenstellen besonderer Mischungen ist für mich fast schon meditativ und lässt eine Vorfreude auf den Duft und die Stimmung die er Verbreiten wird aufkommen.
Räuchern ist mehr als ein Handgriff. Es ist eine Geste, ein Innehalten und ein Lauschen. Der Rauch trägt Gedanken, Bitten, Dank und Erinnerung. Er steigt auf und durchdringt zugleich den Raum.
Dabei klärt er diesen nicht allein äußerlich, sondern auch in tieferen Schichten. Räuchern ist somit kein bloßes Reinigungsritual, sondern ein Übergangsgeschehen und eine Einladung, das Sichtbare und das Unsichtbare zugleich zu berühren.
Im Rauch verbinden sich die Elemente. Pflanzenkraft trifft auf Feuer, wird zu Luft, zu Duft und zu Geist. So entsteht ein Zwiegespräch mit dem Unsichtbaren, ein leiser Akt der Verbindung, getragen von Achtung.
Ursprung und Bedeutung des Räucherns
Räuchern zählt zu den ältesten rituellen Praktiken der Menschheit. Bereits in steinzeitlichen Funden finden sich Hinweise auf die Verwendung von Harzen, Kräutern und Hölzern zu diesem Zweck. Über alle Kontinente hinweg wurde Rauch als Mittler eingesetzt, um die Verbindung zwischen Mensch und Geist, zwischen Diesseits und Jenseits herzustellen.
In vielen Kulturen diente das Räuchern zur Kontaktaufnahme mit dem Geistigen, wie Ahnen, Göttern oder Naturwesen. Es wurde zur Reinigung von Orten, Menschen und Gegenständen verwendet. Außerdem begleitete es Übergänge wie Geburt, Tod und Jahreszeitenfeste und diente der Heilung, dem Schutz sowie dem Segen.
Auch Europa besaß eine eigenständige Räucherkultur. In keltischen, germanischen und alpenländischen Traditionen wurden Pflanzen wie Beifuß, Wacholder, Holunder oder Mistel zu rituellen Zwecken verbrannt.
Viele dieser Bräuche wandelten sich mit der Christianisierung, der Hexenverfolgung im Mittelalter: Teils gingen sie in christliche Riten über, teils galten sie fortan als Aberglaube. Doch in der Volksheilkunde, in Hausbräuchen, den Raunächten und Segenshandlungen für Mensch und Vieh lebte das Räuchern fort.
Später mit der Industrialisierung ging von den übrigen Räucheritualen vieles verloren. Heute kennen viele ihre eigenen Wurzeln nicht mehr und greifen auf fremde Traditionen zurück.
Heimisch oder exotisch – was verräuchern wir?
Exotische Räucherstoffe
Viele der heute verwendeten Räucherstoffe stammen aus fernen Regionen. Oft werden sie genutzt, ohne dass Herkunft, spirituelle Bedeutung oder ökologische Folgen hinreichend bedacht werden.
Ich wage hier einfach mal die These, dass dies auch an dem „Nachmach-Konsum“ aus den sozialen Netzwerken rührt. Ob sich die Ersteller dessen immer bewusst sind, wage ich zu bezweifeln, und erst recht, dass sich die, die es nachahmen, vorher dahingehend informiert haben.
Viele dieser heute gebräuchlichen Räucherstoffe werden unter Bedingungen gewonnen, die weder ökologisch noch kulturell vertretbar sind:
- Weißer Salbei stammt aus Nordamerika und wurde von indigenen Völkern rituell verwendet.
- Palo Santo, das „heilige Holz“ aus Südamerika, ist in vielen Regionen geschützt und wird dennoch illegal geerntet.
- Copal, Myrrhe und Weihrauch besitzen alte spirituelle Bedeutungen, jedoch in kulturellen Zusammenhängen, die nicht mit unseren vergleichbar sind.
Diese Pflanzen sind kraftvoll, stammen jedoch aus anderen Mythologien, Kulturen und Landschaften. Ihre Entwurzelung und Vermarktung wirft für mich ernste ethische Fragen auf. Räuchern ist nicht allein eine Frage des pflanzlichen Ursprungs, sondern vor allem eine Frage der Haltung, der Beziehung und der Verwurzelung.
Sie werden über weite Strecken importiert, häufig mit Flugzeugen oder auf dem Seeweg. Dies belastet nicht nur die Umwelt, sondern auch die Herkunftsregionen. Übernutzung, illegale Ernte und Marktinteressen gefährden die Bestände und damit das Wissen sowie die spirituelle Eigenständigkeit der dort lebenden Gemeinschaften.
Hinzu kommt der Aspekt der kulturellen Aneignung. Wer Pflanzen mit ritueller Bedeutung verwendet, ohne Herkunft, Geschichte oder kulturellen Kontext zu achten, löst sie aus ihrem Zusammenhang. Was in den Ursprungskulturen heilig ist, wird hier zur Ware. Dies ist kein unwesentliches Detail, sondern ein Bruch.
Heimische Räucherstoffe
Die heimische Flora bietet zahlreiche Räucherpflanzen mit wirkungsvollen Eigenschaften, die jedoch weitgehend in Vergessenheit geraten sind.
Hier kann man ein Beispiel nennen: Man kann weißen Salbei einfach durch Garten- oder Wiesensalbei ersetzen. Wer nun sagt, dieser sei aber nicht so kraftvoll, der hat sich noch nicht wirklich damit befasst. Da er aus unserer Region und unserer Kultur stammt, kann man ihn meiner Meinung nach sogar wesentlich kraftvoller als seinen nordamerikanischen Artgenossen nutzen.
Der Beifuß ist schützend, öffnend und reinigend. Wacholder klärt, stärkt und wehrt ab. Harze von Kiefer, Fichte und Lärche wirken aufbauend, verbindend und atmosphärisch reinigend. Salbei, Johanniskraut, Schafgarbe, Holunder, Lavendel und Rose wirken je nach Pflanze beruhigend, segnend, öffnend oder erinnernd.
Diese Pflanzen wachsen in unserer Umgebung und sind Teil des Jahreslaufes, der Landschaft und der Geschichte unseres Landes.
Der Rauch als Mittler zwischen den Welten
Rauch ist ein Grenzgänger. Sichtbar, doch nicht greifbar; flüchtig, dennoch durchdringend.
Daher galt er seit jeher als Bote. Er trägt Bitten, Dank und Gedanken zu den Ahnen, Göttern und geistigen Wesen. Gleichzeitig macht er das Sichtbare durchlässig für das Unsichtbare, das Vergangene und das Verborgene.
Im alten Volksglauben hieß es, der Rauch mache das Haus „seelenhell“. Er bringt ans Licht, was verborgen war, und stellt das rechte Maß wieder her.
Räuchern ist ein vielschichtiges Geschehen und lässt sich ganz individuell nutzen. Es wirkt auf verschiedenen Ebenen, je nach Pflanze, Absicht und Haltung.
Reinigen
Egal ob neuen Werkzeuge, Tarotkarten und Runen oder Räume. Mit den passenden Räucherstoffen und Intentionen lässt sich alles gut von Fremdenergien, Krankheit oder ähnliches reinigen, nicht chemisch, sondern geistig, atmosphärisch und energetisch. Beispiele für heimische Räucherstoffe sind Gartensalbei, Beifuß, Wacholder oder Fichtenharz. Diese helfen zum Beispiel, Altes zu lösen, Schwere zu mildern und Räume zu klären.
Segnen
Jeder kennt solch Situationen ein Kind wird geboren, eine neue Wohnung bezogen oder ein Ort der Begegnung eröffnet. Hier geht es nicht immer nur darum die Örtlichkeiten zu reinigen. Gerade zu Geburten, oder ein neues Buch der Schatten etc. wird begonnen, dann wird dies durch Räuchern gewürdigt und gesegnet. Die Pflanze wird Trägerin des Segens.
Verbinden
Mit den Zyklen der Natur, den Ahnen und der eigenen inneren Stimme. Holunder, Lavendel, Rose oder Eisenkraut schaffen Räume der Rückbindung an das, was trägt. So stelle ich zum Beispiel seit Jahren zu den Jahreskreisfesten passende Räuchermischungen her die den Geist des Festes aufgreifen. Auch im Kontakt mit Göttern wie Freya oder Thor wähle ich eigens darauf zugeschnittene Räuchermischungen um zu verbinden und den Kontakt zu verstärken.
Erinnern
Räuchern ruft ebenfalls Bilder, Rhythmen und Stimmen wach, die lange geschwiegen haben. Es erinnert daran, dass der Mensch Teil eines größeren Ganzen ist, das lebt, duftet, stirbt und sich wandelt.
Räuchern ist keine Technik. Es ist eine Weise, mit dem Unsichtbaren ohne Worte zu sprechen. Wer den Rauch mit Achtsamkeit entfacht, öffnet einen Raum, in dem sich etwas zeigen kann, das sonst verborgen bliebe.
So wird das Räuchern zu dem, was es seit jeher war: ein Gebet aus Pflanze, Feuer und Atem, ein Gruß an das Unsichtbare, ein stilles Heimkehren zum Ganzen.
Zum Abschluss möchte ich noch das Buch „Räuchern mit heimischen Kräutern“ von Marlis Bader empfehlen. Es bietet einen tiefgehenden Einblick in die Kraft unserer heimischen Pflanzen und zeigt praxisnah, wie wir diese beim Räuchern nutzen können. Mit klaren Anleitungen und liebevoller Wertschätzung für die Natur ist es ein wertvoller Begleiter für alle, die das Räuchern auf bewusste und authentische Weise in ihr Leben integrieren möchten.